Memminger Freiheitspreis an Christian Streich: „Das Spiel der Freiheit kennt keinen Abpfiff“

Der Fußball-Club Memmingen war im Rahmen des Schwabentages und der Verleihung des Memminger Freiheitspreises mit dabei. Ausgezeichnet wurde der langjährige Fußballtrainer des SC Freiburg Christian Streich, für seine Zivilcourage auch abseits des Sportplatzes.

Beim „Markt der Möglichkeiten“ in und um die Memminger Stadthalle präsentierte sich auch der FCM am Tag der Deutschen Einheit den vielen Besuchern des Schwabentages, der parallel stattfand. Auch der überaus nahbare und sympathische Freiheitspreisträger Christian Streich schaute am Stand vorbei und signierte bereitwillig auch ein FCM-Trikot.

Im Bild ist Christian Streich mit dem stellvertretenden FCM-Vorsitzenden Thomas Reichart.

ARTIKEL „DAS SPIEL DER FREIHEIT KENNT KEINEN ABPFIFF“

Fußballtrainer Christian Streich erhält Memminger Freiheitspreis – Klares Einstehen für Demokratie, Freiheit und Menschenwürde

Der langjährige Fußball-Bundesligatrainer Christian Streich wurde mit dem „Memminger Freiheitspreis 1525“ ausgezeichnet. „Christian Streich ist eine starke Stimme unserer Zeit im Geist der Zwölf Artikel“, erklärte Oberbürgermeister Jan Rothenbacher in seiner Begrüßung der rund 1.000 Gäste in der Martinskirche und der rund 1.500 Zuschauer des Livestreams. „Als prägende Persönlichkeit des deutschen Fußballs zeichnet sich Christian Streich nicht nur durch sportliche Erfolge aus, sondern auch durch sein engagiertes Eintreten gegen Fremdenfeindlichkeit und jegliche Form von Diskriminierung“, würdigte der Oberbürgermeister in einem bewegenden Festakt zur Preisverleihung. 

Christian Streich mache den Menschen Mut, in ihrem Alltag für ein tolerantes Miteinander einzustehen, würdigte Dekan Christoph Schieder, Sprecher des Kuratoriums „Zwölf Artikel – Memminger Freiheitspreis 1525“, das gemeinsam mit der Stadt Memmingen den Preis auslobt. Wegducken sei für Christian Streich keine Option. Seine Courage verbinde den Preisträger mit den Anliegen der Bauern vor 500 Jahren, erklärte der Dekan. „Selbst wenn es einem bei manchen Diskussionen fast die Sprache verschlägt oder die Stimme zu zittern anfängt – den Mund auftun an den Orten, an die wir gestellt sind, und nicht nachlassen für das einzutreten, was in den Zwölf Artikeln anklingt: die unverletzliche Würde des Menschen.“  

Laudatio durch Claudia Roth

Vor 500 Jahren haben in Memmingen einfache Frauen und Männer, Bäuerinnen und Bauern, ihre Stimme erhoben, erinnerte Staatsministerin a.D. Claudia Roth in ihrer Laudatio an die Zwölf Artikel von 1525. „Sie haben aufgeschrieben, was damals unerhört war: Freiheit, Gerechtigkeit, Menschenwürde. Ihre Zwölf Artikel waren wie ein Flankenlauf ins Offene, wie ein Ball, der das Spielfeld Europas veränderte“, beschrieb die ehemalige Bundesbeauftragte für Kultur und Medien. „Heute ehren wir einen Mann, der diesen Ball aufgenommen hat. Einen, der ihn weiterspielt in unsere Zeit hinein. Einen, der zeigt, dass Freiheit und Menschenwürde immer wieder verteidigt werden müssen.“ Für Christian Streich sei Fußball mehr als Taktik und Technik, mehr als der aktuelle Tabellenplatz, betonte die Laudatorin. „Fußball sollte in Sachen Haltung immer Champions League sein, denn die Stadien sind Resonanzräume.“ Christian Streich habe das Stadion zum Lernort für Demokratie gemacht. 

Sport sei niemals unpolitisch, betonte Claudia Roth, und Reichweite bedeute auch Verantwortung. Christian Streich habe sich mit Leidenschaft dieser Verantwortung gestellt. „Du erreichst Menschen, die vielleicht nie eine Ausstellung besuchen würden, oder die nur selten ins Theater gehen, die eher kein politisches Manifest lesen – aber Dir hören sie zu. Weil Du nicht nur ein Kulttrainer und nicht nur eine Ikone für sie auf dem Fußballplatz bist, sondern vor allem, weil Du Haltung zeigst, in jedem Moment deines Lebens. Du wirkst im Kleinen – in der Kabine, im Gespräch mit jungen Spielerinnen und Spielern, im Alltag –, und im Großen – in Interviews, in Pressekonferenzen, mit Worten, die mitten ins Herz treffen“. Christian Streichs Beispiel inspiriere alle weiterzuspielen – für die Freiheit, für die Demokratie, für das Leben. „Und wir wissen: Das Spiel der Freiheit kennt keinen Abpfiff. Es geht in die Verlängerung“, betonte Claudia Roth. 

Dank des Preisträgers Christian Streich

Der Fußball habe ihn vieles gelehrt, erklärte Preisträger Christian Streich in seinem Dank für die Verleihung des Memminger Freiheitspreises. „Wir hatten 25 Spieler, und acht bis zehn kamen aus anderen Ländern von überallher. Und wann hat es funktioniert, dass wir gut gekickt haben? Dann, wenn wir miteinander geschwätzt haben, wenn man aneinander Interesse gezeigt hat.“ Und er erklärte weite – in badischem Dialekt: „Diese Jungs waren nicht zu Hause. Ich war daheim, ich hatte es einfach. Sie kamen von irgendwoher. Und unser Zuhause war der Fußball.“ Und er erzählte von seiner Erfahrung als Fußballtrainer. „Wenn man es als Trainer zulässt, dass die Spieler aus anderen Kulturen ihr Wissen und ihre Fähigkeiten frei ausleben können, in einem demokratischen Sinne frei, dass sie sich frei fühlen in der Fremde, dann sind sie jeden Tag besser geworden. Ich hatte das Glück, dass diese Werte in Freiburg schon von meinen Vorgängern gelebt wurden.“

In Pressekonferenzen sei er auch zu politischen Ereignissen gefragt worden. „Dann habe ich darauf geantwortet. Und niemand hat mir das Wort verboten, im Verein nicht und auch sonst nicht. Ich wurde kritisiert, ich wurde gelobt, aber alle haben mich reden lassen. Warum durfte ich reden? Weil ich in einem freien, demokratischen Land lebe. Ich durfte meine Meinung äußern.“ Diesen Rahmen der Demokratie gelte es zu schützen, forderte Christian Streich auf. 

„Jetzt bin ich 60 Jahre alt und habe noch keinen Krieg erlebt. Ich habe 60 Jahre lang sagen dürfen, was ich wollte. Und jetzt sind Bestrebungen da, dass die Menschen nicht mehr sagen dürfen, was sie wollen. Jetzt soll es eingeschränkt werden. Jetzt sollen ethnische Gruppierungen ausgeschlossen werden, die so viel für unsere Demokratie getan haben und jeden Tag so viel einbringen. Was für eine Absurdität! Und was für ein Angriff auf unsere kulturelle Vielfalt!“

Den Memminger Freiheitspreis nehme er stellvertretend für alle entgegen, die Ausgrenzung widersprechen, sagte Christian Streich. „Es geht darum, dass man jeden Tag hinschaut und wenn jemand dummes Zeug erzählt, auch sagt: Nein, so geht es nicht! Mehr ist es nicht, aber es ist notwendig, dass das die ganze Zeit passiert.“

Christian Streich dankte auch für die „großartige Musik“ im Festakt, die ihn fast zu Tränen gerührt habe. Unter der Gesamtleitung von Kirchenmusikdirektor Hans-Eberhard Roß sangen und spielten der Konzertchor St. Martin, das Bachkantatenorchester St. Martin, die Kinderkantorei St. Martin und der Bläserchor St. Martin (Leitung Rolf Spitz). 

Verlesung der Zwölf Artikel

„Freiheit ist das Thema für eine Stadtgesellschaft in ihrer ganzen Vielfalt“, erklärte Dekanin Claudia Schieder, Sprecherin des Kuratoriums, die durch das Programm des Festakts führte. Daher wurden die Zwölf Artikel von Vertreterinnen und Vertretern der Memminger Stadtgesellschaft verlesen, unter anderem von Repräsentanten des Stadtrats, der Jugend, des Gerichts oder der Vereine. 

Ökumenische Segensworte von Prodekan Pater Joshy Palakunnel und Dekan Christoph Schieder beschlossen die Preisverleihung. 

Schwabentag „Demokratie gestalten“

Mit der Freiheitspreisverleihung fand auch der Schwabentag 2025 des Bezirks Schwaben und der Stadt Memmingen unter dem Motto „Demokratie gestalten“ statt. „Wir haben keinen Platz für Rassismus und Ausgrenzung“, betonte die stellvertretende Bezirkstagspräsidentin Petra Beer bei der Eröffnung. „Unser Schwaben ist für alle da, ganz gleich welcher Herkunft, welchen Alters und welcher Religion.“ „Feiern wir heute in einem bunten Programm die vielen Facetten unserer Gesellschaft“, erklärte Oberbürgermeister Jan Rothenbacher.

Preisträger Christian Streich hatte die Schirmherrschaft über ein inklusives Fußballturnier der Bananenflanke Memmingen übernommen und eröffnete das Turnier mit seinem Anstoß. In der Stadthalle brachten sich zahlreiche Organisationen und Initiativen mit Infoständen, Mitmachaktionen und Podiumsdiskussionen ein. Das Landgericht Memmingen bot an einem Tag der offenen Tür ein informatives Programm mit Führungen, Vorträgen und einem Prozess-Spiel. Begeisterten Applaus der Zuschauer erhielt Preisträger Christian Streich in einem sympathischen Interview mit Fernsehmoderator Johannes B. Kerner (Magenta TV, Talkshow „Bestbesetzung“). Viel Musik war beim Schwabentag auf dem Marktplatz zu hören, von Konzerten der Stadtkapelle Memmingen, den Bands Ceci und ScheinEilig bis zu „Deutschland singt und klingt“ mit dem Ensemble Paraplui in der Abenddämmerung. Bei Kerzenschein ließ ein spontaner Chor hunderter Sängerinnen und Sänger den Festtag musikalisch ausklingen. 

Der Memminger Freiheitspreis ist im Gedenkjahr „500 Jahre Zwölf Artikel“ mit einem Preisgeld in Höhe von 25.000 Euro dotiert, gestiftet von der Memminger Familie Brey.

Der Memminger Freiheitspreis wurde vor 25 Jahren von der Stadt Memmingen und dem Kuratorium „Zwölf Bauernartikel – Memminger Freiheitspreis 1525“ ausgelobt. Bisherige Preisträger sind der ungarische Außenminister Dr. Gyula Horn (2005), der Dichter Reiner Kunze (2009), die pakistanische Kinderrechtsaktivistin Malala Yousafzai (2014), der brasilianische Bischof Erwin Kräutler (2016), der Journalist und politische Publizist Prof. Dr. Heribert Prantl (2022) und Fußball-Bundesligatrainer Christian Streich (2025). 

.

Foto (C) FCM

WEITERE ARTIKEL