Esad Kahric: Familienmensch mit Herz für den Fußball

Bei einer Tasse Kaffee spricht Esad Kahric nicht nur über Fußball, sondern gewährt auch Einblicke in sein Leben. Foto: Fritz Pavlon

In der Serie der Memminger Zeitung „Auf einen Kaffee“ spricht Esad Kahric nicht nur über Fußball, sondern gewährt auch Einblicke in sein Leben. Die MZ lädt Menschen ein, die etwas zu erzählen haben.

Esad Kahric erscheint bereits einige Minuten vor dem Gesprächstermin. Menschen, die ihn kennen, würden jetzt sagen: „Das ist typisch für ihn.“ Denn der in der regionalen Sportszene seit Jahrzehnten tief verwurzelte „Fußball-Mensch“ Kahric ist einer, der offenbar nach einem stabilen Wertekompass lebt: Der 66-Jährige gilt als geradlinig, ehrlich – und pünktlich.

Während des Gesprächs in einem Restaurant fügt der Sportliche Leiter des FC Memmingen noch einen weiteren Aspekt an: „Mir ist Respekt wichtig.“ Der Ursprung für dieses Wertebewusstsein liegt wohl in den Anfängen seiner Biographie begründet: Bei seinem bosnischen Jugendverein Jedinstvo Busovaca oder später während seiner Profi-Zeit bei Celik Zenica prägten ihn in den 1980er Jahren strenge Trainer mit einem autoritären Führungsstil. Ein Stil, den der Trainer Kahric wohl mehr oder weniger übernommen hat. In unserer Region soll es dem Vernehmen nach Spieler gegeben haben, die den FCM gemieden haben wegen der angeblichen Strenge des Cheftrainers.

Die Fakten, die mit Kahrics Engagement verbunden sind, sprechen da eine andere Sprache: Über den rekordverdächtigen Zeitraum von insgesamt rund 15 Jahren trainierte der Mann aus dem ehemaligen Jugoslawien die 1. Mannschaft des FCM in der Bayern- und Regionalliga. 2010 gelang unter Kahric der Aufstieg in die Regionalliga. Dort trafen die Memminger unter anderem auf namhafte Gegner wie den SSV Ulm, Hessen Kassel oder Darmstadt 98.

Heute, 15 Jahre später, steht Kahric nicht mehr an vorderster Front. Nach zwischenzeitlichen Trainer-Engagements in Schwabmünchen, Kottern und Sonthofen übernimmt er inzwischen als Sportlicher Leiter beim Viertliga-Rückkehrer FCM übergeordnete Aufgaben. Seine Mannschaft hat in der bisherigen Saison bravouröse Leistungen gezeigt und die allgemeine Erwartung übertroffen. Kahric ist voll des Lobes: „Die Jungs haben sehr gute Spiele gemacht. Sie haben eine große Leidenschaft auf den Platz gebracht und eine geschlossene Einheit gebildet.“ Die Frage, ob die Abstiegsangst denn nun schon gebannt sei, beantwortet der 66-Jährige wie folgt: „Garantien gibt‘s nicht. Es können viele Sachen passieren, aber wir sind auf einem guten Weg.“

Und welche langfristigen Ziele verfolgen Kahric und seine Mitstreiter? Der in Memmingerberg lebende Fußball-Fachmann sagt: „Wir sind wegen unserer finanziellen Situation gezwungen, etwas andere Wege zu gehen.“ Nach der Beinahe-Insolvenz des FCM in diesem Sommer setzen die Memminger Kahric zufolge nun „zu 60 bis 70 Prozent auf Spieler aus der eigenen Jugend beziehungsweise auf solche, die eine Vergangenheit in unserem Verein haben“. Dass dieser Weg erfolgreich sein kann, zeigten Beispiele wie David Günes, Timo Schmidt und Nico Nollenberger.

Abgesehen davon gehe es darum, „talentierte Spieler aus der erweiterten Region rechtzeitig zum FCM zu holen.“ Das Gebiet reiche dabei bis nach Landsberg, Ravensburg und Sonthofen. Zur langfristigen Zielsetzung zählt der 66-Jährige aber auch das Thema Konstanz. „Wir wollen erreichen, dass es bei uns künftig deutlich weniger Trainerwechsel gibt.“ Ex-Trainer Kahric weiß, wovon er spricht. Er erinnert sich: „Im Jahr 2013 hat mich der damalige Präsident Armin Buchmann freigestellt. Unsere Familien sind aber bis heute gut befreundet.“ Auch mit dem aktuellen Cheftrainer Matthias Günes verbinde ihn ein freundschaftliches Verhältnis.

Bei einer Tasse Kaffee im Restaurant erinnert sich der Coach auch an langjährige Weggefährten, wie die mittlerweile verstorbenen Macher Dieter Degenhart und Walter Liepert. Dass Kahric ein großer Fußball-Liebhaber ist, ist unbestritten. Er relativiert das Ganze aber auch ein wenig: „An erster Stelle bin ich ein Familienmensch. Ich hatte ein wahnsinniges Glück, so eine Frau wie meine Leyla kennenzulernen.“ Die beiden lernten sich noch in Bosnien kennen. 1988 zog Kahric dann – zunächst alleine – nach München, wo er für Türk Gücü spielte. Ein Jahr später wechselte der offensive Mittelfeld-Stratege zum FC Memmingen. „Ich habe in Deutschland übrigens immer ohne Schienbeinschoner gekickt“, verrät der Bosnier Jahrzehnte später mit einem verschmitzten Lächeln.

Heute hat das Paar zwei erwachsene Söhne und zwei Enkeltöchter. Und seit einem guten halben Jahr hat Kahric auch mehr Zeit für seine Familie und den Fußball. „Ich bin jetzt in Rente“, sagt er. Er sei in einer Memminger Firma als Abteilungsleiter in der Produktion tätig gewesen. Für den geradlinigen Südosteuropäer ist Memmingen längst auch im Herzen zur Heimat geworden. Er verrät: „Wenn wir aus dem Urlaub zurückkommen, freuen wir uns immer, dass wir wieder zu Hause sind in Memmingen.“

Von Dominik Prähofer – Memminger Zeitung vom 27.12.2025 – Foto (C) Fritz Pavlon

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