KICKER: Wir waren die beste Mannschaft in dem ment, als wir es gebraucht haben“

Runter, rauf, runter – und wieder rauf. Der Memminger Fahrstuhl lief in den letzten Jahren auf Hochtouren, ist nun jedoch wieder im oberen Stockwerk gelandet: Denn der FCM krönte sich in einem Fotofinish zum Meister der Bayernliga Süd.

Der Motor der Allgäuer lief pünktlich zum Saisonfinale rund, schließlich stand der Regionalligaabsteiger exklusive der letzten beiden Spieltage nur ein weiteres Mal an der Tabellenspitze. Das war an Spieltag fünf – im Anschluss folgten drei Remis und eine Niederlage – und die Truppe um Kapitän Lukas Rietzler befand sich stets nur mehr in der Verfolgerrolle.

Dennoch entwickelte sich bereits in dieser Phase ein „super Geist“, wie Trainer Matthias Günes anhand von Schlüsselmomenten erklärt: „In Deisenhofen haben wir nach Rückstand in der Nachspielzeit gewonnen – zu dem Zeitpunkt lag ein Tor nicht wirklich in der Luft. Und gegen Türkspor Augsburg treffen wir in der 90. und 92. Minute zum 2:1-Sieg. Da hat sich einfach ein Charakter innerhalb der Mannschaft gebildet, eine Abweichung vom Ziel nicht zu akzeptieren, bis es vorbei ist.“

Allerdings gab es tatsächlich noch einen Moment, als die Jagd Richtung Meisterschaft fast vorbei war: Den „inhaltlich sehr guten“ Remis gegen Heimstetten (1:1) und 1860 München 2 (0:0) zum Auftakt des Jahres 2025 folgte eine 0:1-Niederlage beim direkten Konkurrenten aus Erlbach – und der FCM stürzte auf Rang sechs ab. „Danach haben wir glücklicherweise die richtige Mischung aus Kritik und Aufmunterung gefunden. Anschließend kam der Sieg im Derby gegen Kottern, und wir sind als Truppe unfassbar gewachsen“, sieht Günes den Schlüsselmoment rund ums Allgäu-Duell. Denn von jenem Zeitpunkt an blieb die Elf um Keeper Dominik Dewein ungeschlagen, gewann „glatte Spiele“ gegen Landsberg (3:0) und Schalding (4:0), aber auch die „komplizierten Partien“ in Nördlingen (2:1) und Sonthofen (1:0).

Die finale Schlacht war jedoch noch nicht geschlagen – doch am vorletzten Spieltag war es so weit: Pipinsried verlor als Tabellenführer das Spitzenspiel in Erlbach und öffnete die Tür für die Memminger. Die gerieten gegen den Abstiegskandidaten der SpVgg Unterhaching II zwischenzeitlich in Rückstand, glichen aber noch vor der Pause aus. Und dann – passierte lange nichts mehr. Bis in Minute 93: Da köpfte Lukas Rietzler eine Ecke von links zum 3:2-Siegtreffer ein und versetzte die Arena in Ekstase. „Das war der Meistermoment, ganz einfach der Alex-Zickler-Moment“, schmunzelt Günes in Anspielung auf den ehemaligen Bayernstürmer, der den Rekordmeister 2001 mit seinem ebenso legendären wie späten Volleytreffer am vorletzten Spieltag erstmalig auf Platz eins hievte – auch, weil Schalke (analog zu Pipinsried) als damaliger Tabellenführer in Stuttgart verlor.

Der letzte Spieltag wurde dann zur Bundesliga-Geschichte – für Memmingen war jener finale Auftritt dagegen weitaus weniger nervenaufreibend: „Wir wollten zu keinem Zeitpunkt Hektik aufkommen lassen und haben die Vorgaben gut umgesetzt“, blickt der Trainer auf den finalen Ritt bei Türkspor Augsburg zurück. Da traf seine Mannschaft kurz vor und nach der Pause zu einer 2:0-Führung – ganz beruhigt war der Coach dennoch nicht. „Im Vorjahr haben wir in der Regionalliga in Schweinfurt zwei Tore in der Nachspielzeit gefangen – das war für mich die Lehre meines Lebens“, erklärt sich Günes. Doch am vergangenen Samstag blieb seine Mannschaft durchweg stabil, und spätestens mit dem 3:0 in Minute 86 „ist Ruhe eingekehrt“.

Diese Ruhe war allerdings nur von kurzer Dauer, denn mit dem Schlusspfiff brachen bei den Allgäuern alle Dämme. Schließlich war die direkte Rückkehr in die Regionalliga keineswegs eingeplant. „Wir hatten vor der Saison einen Aderlass mit 18 Abgängen und zudem einen drastisch kleineren Etat. Wir haben uns darauf eingelassen, einerseits auf die richtige Führungsachse gesetzt und andererseits aus der Not eine Tugend gemacht“, erklärt Günes mit Verweis auf neun Eigengewächse in der Startelf in Augsburg. Doch die Jungspunde brachten durchweg eine „hohe Bereitschaft für Verteidigen“ ein – folglich kassierte der FCM nur 21 Gegentore in 32 Spielen und war bei nur drei Niederlagen „schwer zu besiegen“.

Vorne hakte es im Saisonverlauf dagegen ein wenig – Richtung Saisonende entwickelte die Truppe jedoch „ein anderes Selbstverständnis, inklusive Tordrang“. Dennoch ist die Torbilanz der Memminger durchaus kurios: Bester Torjäger ist Kapitän Lukas Rietzler mit elf Treffern – darunter sind aber neun Elfmeter. Auf Rang zwei folgt Pascal Maier mit gerade einmal fünf Toren. Dem Erfolg taten die verhältnismäßig wenigen Tore (49 in Summe) keinen Abbruch, viel ist man beim FC Memmingen nun einfach glücklich, bilanziert der Coach abschließend: „Vom Spannungsbogen her war es die perfekte Saison. Wir waren die beste Mannschaft, die wir sein konnten, in dem Moment, als wir es gebraucht haben.“ Und so steht als verdienter Lohn nun nicht nur die Rückkehr in die Regionalliga, sondern auch die Meisterschaft in der Bayernliga Süd in den Geschichtsbüchern.

KICKER-SPORTMAGAZIN

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Von Simon Ruß – KICKER-Sportmagazin vom 22.05.25 – Fotos (C) Hannah Brenner, Ingo Jensen

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