
Der obligatorische Jubelkreis durfte nach Abpfiff nicht fehlen. Die Freude beim FC Memmingen über den 3:2-Derbysieg gegen den FV Illertissen – und damit auch über den ersten Heimerfolg nach dem Wiederaufstieg in die Regionalliga Bayern – war greifbar. Zuvor hatten sich die beiden Mannschaften vor 1271 Zuschauern in der Memminger Arena einen unterhaltsamen Schlagabtausch geliefert, der auch anders hätte enden können. Diese Erkenntnisse gab es nach dem Derby:
1. Der FV Illertissen hat den Liga-Blues
Nach dem Sieg im DFB-Pokal gegen den 1. FC Nürnberg (6:5 nach Elfmeterschießen) und der 1:3-Niederlage gegen den TSV 1860 München im Totopokal ist der FV Illertissen unsanft im Liga-Alltag gelandet. Die Mannschaft von Trainer Holger Bachthaler steht bei sechs Punkten aus sechs Spielen. „Ich kann mich nicht erinnern, jemals zwei solche Slapstick-Gegentore bekommen zu haben“, meinte Bachthaler mit Blick auf das 1:1 (Eigentor von Innenverteidiger Maximilian Neuberger, 37.) und das 1:2 (58.), als Torwart Michel Witte unnötigerweise den Strafraum verließ, um den Memminger Torschützen Nico Nollenberger abzufangen.
2. Spielglück hilft dem FC Memmingen schon wieder
Auf der anderen Seite waren es diese beiden Szenen, die den FC Memmingen im Spiel hielten – und letztlich zum Heimsieg führten. Beim 4:0 zuletzt in Hankofen-Hailing profitierten die Memminger von zwei Roten Karten gegen die Gastgeber, diesmal war der FCM Nutznießer zweier Aussetzer. Beim 2:1 der Mannschaft von Matthias Günes schaltete Keeper Dominik Dewein schnell und schickte Nico Nollenberger mit einem langen Abschlag auf die Reise. „Ich habe nur ‚Nolle, Nolle‘ gehört und bin losgelaufen“, sagte Nollenberger. Als „völlige Unordnung und nicht nachvollziehbar“ bezeichnete Bachthaler die Entstehung des Gegentreffers. „Der Spielverlauf hat uns geholfen“, gab auch Günes zu. „Den Ausgleich und das 2:1 kriegen wir geschenkt.“
3. „Auswärtstaktik“ bringt die ersten Heimpunkte
Es waren aber nicht nur Geschenke, die dem FCM zum ersten Heimsieg verhalfen. Illertissen hatte mehr Ballbesitz, mehr Chancen und erzeugte durch das Sturmduo Yannick Glessing und Tobias Rühle immer wieder Gefahr. Der Führungstreffer der Gäste fiel durch einen direkt verwandelten Freistoß von Milos Cocic aus 30 Metern (33.). Die Memminger standen tief, verdichteten das Mittelfeld und lauerten auf Ballgewinne und Konterchancen. „Illertissen hat uns über 80 Minuten fußballerisch im Griff gehabt“, sagte Günes. „Auf der anderen Seite habe wir einige Situationen nicht gut ausgespielt.“ Nach Nollenbergers Treffer zum 2:1 ging die Günes-Taktik auf. Die Chancen häuften sich, die Räume wurden größer. So auch beim Konter, den Luis Vetter in der hektischen Schlussphase (86.) zum 3:1 verwertete. Zu Beginn der sechsminütigen Nachspielzeit erzielte Rühle noch den Anschlusstreffer zum 2:3 (90.).
4. Die Grundtugenden sind da, aber es gibt Baustellen
Verlassen können sich die FCM-Fans darauf, dass die Memminger Spieler derzeit die Grundtugenden in den Regionalliga-Partien zeigen. Einsatz, Laufstärke, Kampfgeist – exemplarisch dafür steht die stabile Innenverteidigung um Gräser und David Bauer sowie das kompakte Mittelfeldzentrum um Timo Schmitz und Fabian Lutz. „Wir konnten uns in den schwierigen Phasen auf unsere Strafraumverteidigung verlassen“, sagte Günes. „Die Leidenschaft der Jungs war herausragend. Über die Emotionalität wollen wir die spielerischen Elemente weiterentwickeln.“ Denn in diesem Aspekt gibt es Nachholbedarf, wie Günes bestätigte. „Wir werden weiterhin auf Gegner treffen, die spielerisch gut sind und ein gutes Gegenpressing haben“, sagte Günes. „Wir haben noch zu oft das Problem, dass wir nach tiefen Ballgewinnen schlechte Entscheidungen treffen und dann Phasen haben, aus denen wir uns nur schwer vom Druck befreien können.“
5. Variables Mittelfeld kompensiert Rietzler-Ausfall
Am Freitag (19 Uhr) steht das nächste Heimspiel gegen den TSV Buchbach an. Günes muss angesichts von insgesamt sechs Spielen im September, die Belastung seiner Spieler im Auge zu behalten. Dabei ist es dem FCM gerade im Mittelfeld gelungen, mit einem Trio den Ausfall von Kapitän Lukas Rietzler (Knieverletzung) aufzufangen. Gegen Illertissen gingen Lutz, Schmidt und Vetter weite Wege, Lutz und Vetter waren auch immer wieder in einer offensiveren Position zu finden. Zuvor hatte schon Michael Bergmann eine der drei zentralen Mittelfeldpositionen übernommen. Der 21-Jährige, der gegen Illertissen für Lutz eingewechselt wurde, könnte gegen Buchbach wieder zu einer Option für die Startelf werden.
Von Tobias Giegerich – Allgäuer Zeitung vom 11.09.25 – Fotos: Siegfried Rebhan